Kayla Shyx

 

Auf Kayla Shyx musikalischen Spuren läuft man auf Boden, der glüht und manchmal brennt. Trotz der Flammen scheint es düster. Kaum ein Lichtkegel zeigt einem den Weg, aber man erkennt vieles wieder: Die erste Liebe, eine zweite, das Dazwischen, die Zweifel und Muster, Grenzen, die man überschreitet und überschreiten lässt. Manchmal schimmert Hoffnung, immer Prägung und ein abwesender Vater.

Kaylas Albumdebüt „Sad Girl Summer“, das im Frühsommer bei Jive Germany erscheint, klingt pudrig, aber ihr Erzählen ist schonungslos. Ein erster Sommer, der nicht leicht ist. Hallo Fremde. Emotionen überrumpeln sie. Was war, quillt aus allen Ritzen und noch so vieles mehr wiegt schwer wie Blei. Therapie. Sie kratzt an Schichten, will verstehen, aber sehnt sich auch nach der Leichtigkeit ihrer Jugend. Die war ja da, oder?

Wer sich Kayla genauer anschaut, ist beeindruckt vom Fundament, nicht nur wegen der 3 Millionen Follower auf TikTok, YouTube und Instagram. Ihr erstes Video macht die Creatorin mit 14, nach einem Auftritt im Fernsehen. Nicht lange, da spricht sie über Themen, die sie wirklich bewegen, zieht große feministische Kreise. Eine Heranwachsende in der Welt, im Patriarchat. Kayla versteht: Wissen bringt Argumente, Argumente bringen Selbstermächtigung. Mit dem Teilen ihrer Erkenntnisse ermutigt sie früh andere junge Frauen, auch für sich einzustehen.

Als Trennungskind ist Kaylas Mutter ihre Heldin. Alleinerziehend tut sie alles für ihre Kinder. Sie predigt Selbstbestimmung. Wenig Geld, trotzdem Klavierunterricht, Gitarre, Musical Ausbildung im Friedrichstadtpalast Berlin. Musik färbt früh Kaylas Leben, in Melodien fühlt sie sich Zuhause – mit ihrem Körper, der Musik begreift, und einer Stimme, die nie voluminös, dafür markant zart und eindringlich ist. Das Außen reizt sie immer schon, die Bühne. Als sie beginnt, nach Schulschluss Videos zu produzieren, wirft sie der Friedrichstadtpalast raus. Streng und konservativ. Ihr Glück: Der neue Freiraum öffnet Türen.

Kayla, heute 22, ist scharfe Beobachterin geblieben. Sarkastisch, direkt, eine schnelle Denkerin. Man spürt, wie sie selbst noch an den Wurzeln in sich sägt, die sich von Misogynie wässern lassen. Ihre Barrieren neu justiert. So bricht sie als Jugendliche wie schon die Mutter den Kontakt zum Vater ab. Es tut weh, etwas fehlt. Die Leerstelle neu zu besetzen, klappt erst, als sie versteht, dass Liebe nicht wehtun muss. Da sind Erkenntnisse, immer wieder, ein fortlaufender Reifeprozess. Kayla hat sich noch lange nicht auserzählt. Mit ihrem feinen Witz verbindet sie sich auf charmante Weise mit Leidensgenossinnen. Sie weiß, manchmal reicht nur ein Satz, um schwelendes Unbehagen endlich benennen zu können. Und oft geht es ja erstmal nur darum: Worte zu finden.

Kayla spricht über sexuellen Missbrauch, ihre Traumatherapie, Consent im Kleinen und Großen. Spricht über Panikattacken, die sie lange ignoriert und dann erkennt: Mein Körper will mir was sagen. Selbsterkenntnis, irgendwann Akzeptanz. Über Veganismus und Ethik, über Mode als Instrument des Selbstausdrucks, während sie mit SHYX Kollektionen in Kooperation mit About You entwirft. Sie spricht über das eigene Selbstbild, den giftigen Einfluss von Social Media, das Spiel mit der Sehgewohnheit. A lot. Es geht um sie und doch erhebt sich Kayla nie. Sie bleibt hungrig und will das Leben durchdringen, ihres und das der anderen, das sich unaufhörlich wandelt.

Die Themen, die Kayla beschäftigen, gehen tief. So wie ihre Musik, die man absorbiert. Oder sie einen. Eine fantastisch-romantische Klangwelt, die sich auch morbid zeigt. Und doch wärmen Kaylas Worte. Weil man ihr nahekommt. Weil Kayla aufmacht. Zart und weich, kein Raum für

Mauern lässt. Dream-Pop, Indie, Kayla. Ihr an- und abschwellender Gesang, betörend die Stimmfarbe, konsequent melancholisch, auch die Textzeilen. Ihre Musik wärmt und ist brüchig. Und genau das bewegt ja: Menschen, die Brüche aufzeigen, die sich zeigen.

Man kommt Kayla nun nah wie nie. Als würde man durch ihr Tagebuch blättern. Und tatsächlich: Sie hatte es dabei, im Studio, beim Texten. Intime Gedanken im Schutz ihrer Musik. 17 Songs über Schmerz und Scham, über temporären Verlust des Selbst, Spiralen der Zweifel, Gefühle. Und doch zeichnet Kayla auch immer wieder Klarheiten, setzt Anfänge und Enden, bleibt offen. Ihre Worte in den Videos verbinden. Worte füllen Lücken, nehmen Raum ein. Vielleicht sind es nun auch ihre Songs, die einen manchmal ein bisschen weniger allein fühlen lassen.

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